Sir Tim Berners-Lee - Der Vater des World Wide Web

Wir haben dem Internet viel zu verdanken. Ohne es hätten wir keinen unerschöpflichen, jederzeit abrufbaren Vorrat an Katzenvideos. Wir könnten uns nicht bequem von zuhause aus alles was wir brauchen zuschicken lassen. Wir könnten auch nicht in Echtzeit checken, was auf der Welt grade so passiert. Aber das allerwichtigste ist – ohne das Internet gäbe es diesen Blog nicht :)

 

 

 

Komischerweise kennt trotzdem kaum jemand den Mann, der das alles erst möglich gemacht hat: Sir Tim Berners-Lee. Vor 30 Jahren erfand er am schweizer Forschungszentrum CERN das World Wide Web, nicht zu verwechseln mit dem Internet. Kurz gesagt: Das Web verhalf dem Internet erst zum Durchbruch. So ziemlich alles, was man im Internet macht, außer E-Mails verschicken läuft über das Web.

 

 

 

Seine Vision war es, die Menschen zu verbinden. Er schuf eine Möglichkeit, schnell Informationen auszutauschen, und zwar von überall auf der Welt. Damit erschuf er ein unglaublich mächtiges Werkzeug, ohne das heute nichts mehr funktionieren würde. Die globale Infrastruktur wäre ohne das Web komplett aufgeschmissen. Unternehmen, Staaten, Haushalte – alle tauschen sich über das Web aus. Es ist die Basis der modernen Welt.

 

 

 

Man könnte meinen, Tim Berners-Lee ist heute steinreich, und das könnte er auch sein. Doch CERN hat das Web der Gemeinfreiheit übergeben. Damit wurde sichergestellt, dass das Internet frei und für alle zugänglich ist. Zumindest war das die Idee. Berners-Lee ist also nicht der Milliardär, der er hätte werden können.

 

 

 

Doch obwohl das Web die Welt revolutioniert hat ist es keine reine Erfolgsgeschichte. Der Vater des Webs fürchtet um die Zukunft seines Kindes. Um das zu verstehen, muss man seine Vision genauer verstehen: Das Web sollte ein zutiefst demokratischer und freier Ort sein, in dem jeder die Kontrolle über seine eigenen Daten hat und seine Informationen frei verbreiten kann. Keine Zensur, keine Überwachung, keine Ausbeutung. Und in den frühen Jahren des Webs war das auch mehr oder weniger verwirklicht.

 

 

 

Doch es dauerte nicht lange bis Unternehmen erkannten, wie profitabel das Web ist und sich darin breitmachten. Mit zunehmender Popularität des Webs mussten natürlich auch Regierungen ihre Finger im Spiel haben. Anstatt seinen eigenen Server zu haben und damit Herr über seine eigenen Daten zu sein, gibt man die Kontrolle heute an Technikgiganten ab. All die wichtigen Dienste, die man so benutzt, sei es Snapchat, YouTube oder sonst was, sind zentral.

 

 

 

Die „Big Fife“ Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft kontrollieren einen großen Teil des heutigen Webs, und sie alle teilen auch ein Geschäftsmodell: Möglichst viele Daten von Kunden sammeln, um ein möglichst präzises Bild von jedem einzelnen erstellen zu können, damit man speziell auf ihn zugeschnittene Werbung schalten kann. Man ist nicht der Kunde, sondern das Produkt. Die Kunden sind die Werbefirmen. Angela Merkels Prophezeiung, Daten seien „der Rohstoff der Zukunft“ ist längst Realität geworden.

 

 

 

Aber dem Web steht ein weiterer großer Wandel bevor. WLAN in fast jedem Haus und eine weitflächige Mobilfunkabdeckung (naja) ermöglichen es, so ziemlich alles zu vernetzen: Haushaltsgeräte, Türschlösser, Autos und und und. Alles wird miteinander verbunden, sodass die Grenze zwischen digitaler und analoger Welt verschwimmt. Das sogenannte „Internet der Dinge“ hat enormes Potential, leider in beide Richtungen: Es kann die Menschheit nach vorne bringen, aber es kann auch zu einem Big Brother Szenario führen. Edward Snowden hat gezeigt, dass das Ausspähen von Millionen von Menschen keine Verschwörungstheorie, sondern bereits heute Realität ist.

 

 

 

Das Web hat sich also alles andere als im Sinne des Erfinders entwickelt, der inzwischen davon spricht, wir müssen uns das Netz „zurückholen". Und er hat sogar sehr konkrete Pläne dafür:

 

Mit dem Projekt „Solid“ arbeitet Berners-Lee schon seit ein paar Jahren an einer Art dezentralisiertem „Web 2.0“ (https://solid.mit.edu/#about). Das erklärte Ziel von Solid ist es, „die Funktionsweise von Webanwendungen radikal zu ändern, was zu wirklicher Hoheit über die eigenen Daten und damit einer besseren Privatsphäre führt“.

 

 

 

Auch hat Berners-Lee schon vor einigen Jahren den „contract for the web“ vorgestellt, also Regeln, die das Wohlergehen des Webs fördern sollen (https://contractfortheweb.org). Diese betreffen sowohl Regierungen, als auch Unternehmen und Bürger und umfassen allgemeine Richtlinien wie Zugänglichkeit des Webs oder Datensparsamkeit. Über 150 Organisationen haben sich dem Contract zumindest auf dem Papier angeschlossen, darunter auch Google, Microsoft und Facebook.

 

 

 

Es bleibt abzuwarten, ob Berners-Lee, der die Welt schon einmal grundlegend verändert hat, ein ähnliches Kunststück nochmal gelingt. Er selbst sieht seinen Auftrag jedenfalls noch nicht als vollendet an: „The web as I envisioned it, we have not yet seen.“

 

 

 

Simon Vill