In der Regel #2

 

 

In der Regel ist Feminismus doch heutzutage überflüssig, oder? Ein krasses Gegenargument zu dieser Aussage liefert die misogyne Ansicht zur weiblichen Menstruation eines Rappers aus Düsseldorf.

 

Das Video beginnt damit, dass der Rapper Al Gear sich in eine Badewanne setzt, um anschließend eine Hassrede mit diesen Worten einzuleiten: „Ich muss hier mal was ansprechen, ein ernstes Thema. Weil ich kann das nicht mehr lange mitmachen. Es geht um Frauen und ihre Tage. Liebe Frauenwelt da draußen, bitte f*ckt euch bei euren Tagen.“ Er ist der Meinung, dass die Periode eine Krankheit ist und die menstruierende Frau in dieser Zeit eingesperrt werden sollte. Er meinte zudem, jede Partei zu wählen – auch die AfD –, die sich für die Durchsetzung seiner Forderungen einsetze. Das Wort „Frau“ verwendet er bei seiner Meinungsbekundung allerdings äußerst selten. Stattdessen nennt er Frauen „H*rentöchter“, „Weiber“, „F*tzen“, „B*tches“ oder „dreckige N*tten“. (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=ajXb9SACEFk&t=146s)

 

Natürlich bleibt eine Reaktion nicht aus. Zahlreiche schockierte und oftmals wütende Frauen bekunden ihre Empörung. Infolgedessen bekommt der Rapper Angst um sein Leben, wie er selbst sagt, da ihm anscheinend Morddrohungen gemacht worden seien. Daher zieht er in Erwägung, die Polizei zu benachrichtigen, was aber selbst nach mehrmaliger Erwähnung nicht geschehen ist und einen Grund darstellt, an der Glaubhaftigkeit seiner Aussagen zu zweifeln.

 

Ein weiterer Grund die Glaubhaftigkeit seiner Statements zu hinterfragen, ist die „Entschuldigung“, die am nächsten Tag folgt: Al Gear kauft jeweils eine Packung Tampons und Binden und spendet diese großzügiger Weise an eine Frauen-Diakonie, indem er diese vor die Tür der Einrichtung wirft und seine Entschuldigung wie folgt formuliert: „Ich hoffe ihr nehmt meine Entschuldigung an, ihr kleinen Hurent.., äh, ihr netten Frauen. Und dass das endlich Ende hat.“

 

Von wahrer Reue ist dabei eindeutig keine Spur, wie sich kurze Zeit später erneut bestätigt. Nachdem ein zweiter gezwungener Entschuldigungsversuch, bei welchem er sich mit zweckentfremdeten Ohrringen aus Tampons und Tampons in der Nase vor der Kamera präsentiert („Es tut mir leid, ihr habt mich da falsch verstanden, ihr dreckigen Hurentöchter. Sowas sagt man ja nicht.“), gescheitert ist, geht er erneut zum offensiven Angriff über. Auf das Argument, dass seine Mutter auch eine Frau ist und er nur unter der Voraussetzung, dass diese auch ihre Periode hatte, entstanden ist, antwortet er mit: „Lasst meine Mutter da raus, die betet fünfmal am Tag“. Dementsprechend schließt der Islam, Al Gears Auffassung nach, eine sexuelle Beziehung kategorisch aus.

 

Im Anschluss unterteilt er die „Kategorie Frau“ in „anständige Frauen“ und „H*rentöchter“ („Das seid ihr.“). Des Weiteren unterteilt er in „Männer, Transen, Affen. Und Frauen und ihr kleinen Hurentöchter“. Frauen sind für ihn nur solche, die eine konservative Rolle erfüllen, also Frauen „von früher“, die ein Kopftuch tragen, die „nicht fünf P*mmels gelutscht [haben] und [..] nicht irgendwelche Stories von Männern an[gucken].“ (Quelle: Instagram-Story von algearplus vom 06.10.19)

 

Al Gear greift also nicht nur Frauen an, sondern wirft auch mit Transfeindlichkeit um sich. Seine Haltung ist menschenverachtend, sowohl gegenüber dem Individuum als auch gegenüber einer ganzen (religiösen) Gemeinschaft.

 

Ich persönlich war sehr geschockt, als ich dieses Video gesehen habe. Wirklich zum Nachdenken brachte mich die Tatsache, mit welcher Ernsthaftigkeit, Bosheit und Reuelosigkeit Al Gear spricht. Man stößt im Netz leider oftmals auf sexistische Inhalte, bei denen jedoch auf subtile Weise klar ist, dass die Person dahinter „nur“ versucht, durch ihre subjektiv amüsante Empfindung des Sachverhalts, lustig zu sein und dadurch Aufmerksamkeit zu erlangen. Im Gegensatz dazu scheint es in diesem Fall so, als ob der Rapper tatsächlich ein derartiges Frauen- bzw. Weltbild hat. Die Tatsache, dass seine Entschuldigungen derart lächerlich sind, setzt dem Ganzen nur noch die Krone auf. Er sieht zum einen keine Schuld bei sich und zum anderen empfindet er keinerlei Gefühl dafür, dass er etwas Falsches getan haben könnte, sondern will nur seine Ruhe haben. Erschwerend kommt hinzu, dass er auf Instagram knapp 200.000 Follower hat und damit eine enorme Reichweite besitzt. Vor allem Jugendliche könnten durch dieses Video verunsichert werden und schlimmstenfalls zustimmend reagieren.

 

Genau dies taten nämlich einige seiner Anhänger. Das türkische Magazin „renk“ teilte über ihr Profil einige Hass-Kommentare, die sie erreichten, nachdem sie über Al Gear berichtet hatten. Darunter Stimmen wie: „Al Gear hat recht ihr wiederlichen h*rentöchter also vergleicht euch nicht mit wahren Frauen“, „die H*rentöchter […] gehören in die Küche so einfach“ oder „solche [menstruierende] frauen sind ekelhaft und verdienen es geschlagen zu werden“. Geballter Hass, mehr kann man dazu nicht sagen.

 

Doch glücklicherweise mangelt es auch auf der anderen Seite nicht an Kritik. Neben dem Magazin „renk“ haben zahlreiche Frauen dem Rapper bereits auf Instagram direkt geschrieben. Mittlerweile (07.10.19) sind es sogar so viele, dass Al Gear einen Anwalt kontaktiert hat. Wiederum einen Tag später (08.10.19) kündigt er an, ein Buch mit dem Titel „,H*renschl*mpen‘, ,Die moderne B*tch‘ oder ,Der blutige Pfad‘“ zu schreiben. Auch hier ist die Ernsthaftigkeit und vor allem die Sinnhaftigkeit der Aussage in Frage zu stellen. Anstatt sich reumütig zu zeigen und sich ernsthaft zu entschuldigen, legt der Rapper immer noch eins drauf. Es scheint, als habe er aus seinen Fehlern nichts gelernt bzw. als wolle er seine frauenfeindlichen Bemerkungen gar nicht widerrufen.

 

Beispiele für Personen, die öffentlich auf diesen „misogynen bullshit“ reagieren und aufmerksam machen, sind Alexandra Stanic, Louisa Dellert oder Maja Bogojević. Sie fordern unter anderem dazu auf, das Profil des Rappers auf Instagram zu melden (Instagram hat bis jetzt noch nichts gegen diesen Content unternommen) und ermutigen dazu, die Menstruation in einem respektvollen Licht zu sehen. Louisa Dellert schreibt beispielsweise: „Wärst du auf dieser Welt, wenn deine Mutter die von dir zu Krankheit ernannte Menstruation nicht gehabt hätte? […] Der weibliche Körper und die Menstruation sind das normalste auf der Welt. Für mich ein kleines Wunder.“ Alexandra Stanic geht sogar so weit, ein Bild von ihrer blutverschmierten Hand zu posten, lässt dabei aber offen, ob es sich nicht doch um Fruchtsaft handeln könnte, weil es ihr um die Symbolik geht. „Schluss mit Scham und Schuld. […] Wir werden überflutet mit gewaltvollen Netflix-Serien und sind unbeeindruckt, wenn wir uns ein Tarantino-Blutbad im Kino geben. Aber die Regel ist too much? […] Es braucht kein Ausgangsverbot für Frauen während ihrer Menstruation […], es braucht ein Internet-Verbot für Dudes wie ihn.“

 

Auch von männlicher Seite aus gibt es vermehrt Zustimmung, so z.B. Christian Berger: „[Personen] wie Al Gear empfinden Lust an der Erniedrigung von Frauen. Sie bestärken sich in ihrer männlichen Überlegenheit. […] Die Tatsache, dass der Account verifiziert und trotz einer Vielzahl an Beschwerden und Meldungen noch nicht gesperrt wurde, wirft erneut die Frage nach institutionalisierter Intention auf. Es soll legitim sein, Frauenhass zu verbreiten, aber weibliche Brustwarzen werden mit Löschen und Sperren geahndet?“.

 

Feminismus ist leider häufig negativ konnotiert. Feminismus bedeutet aber nicht, dass Frauen an die Macht und Männer unterdrückt werden sollen oder Derartiges. Dann würde es ins andere Extrem umschlagen und es würde erneut Ungleichgewicht und Ungerechtigkeit entstehen. Moderner Feminismus fordert Gleichberechtigung aller, unabhängig vom Geschlecht. Das bedeutet folglich, dass sich auch Männer, wie in diesem Fall beispielsweise Christian Berger, für Feminismus engagieren können, da nicht die Abwertung eines Geschlechts im Vordergrund steht. Es geht im Kern um einen respektvollen, friedvollen Umgang und Begegnung auf Augenhöhe. Wenn es keine sogenannten Feministen gäbe, könnten solche Leute wie Al Gear ungehindert Hass verbreiten und für Verunsicherung sorgen. Eine Person, die halbwegs Menschenverstand besitzt, sollte in der Lage sein, zu erkennen, dass eine solche Tat gegen die Menschenwürde verstößt.

 

Die Periode ist kein Grund, sich zu schämen. Es ist ein natürlicher Vorgang, der wertgeschätzt werden sollte, weil ohne diesen Vorgang schlicht und einfach auch keine Fortpflanzung möglich wäre. In einer patriarchalen Gesellschaft stößt der weibliche Zyklus leider oftmals auf Ablehnung. Dies geht darauf zurück, dass das Phänomen der Menstruation in der Vergangenheit nicht erklärt werden konnte. Frauen war es in der Zeit ihrer monatlichen Blutung aus Angst vor Verunreinigung nicht erlaubt, Speisen zu berühren, Kontakt mit anderen Menschen zu haben oder das Haus zu verlassen. Den Gegensatz dazu bildeten archaische Gemeinschaften, in denen das Menstruationsblut sogar als heilig galt und für Fruchtbarkeit stand. An dieser Stelle könnten noch zahleiche andere Ansichten verschiedener Gesellschaftsgruppen und religiöser Gemeinschaftsgruppen angeführt werden, aber der entscheidende Faktor ist, dass wir uns jetzt im Jahr 2019 befinden. 2019. Und dennoch gibt es in unserer ach so aufgeklärten Gesellschaft immer noch Menschen, die der Ansicht sind, dass Frauen während ihrer Menstruation Ausgangsverbot erhalten sollten. Jungen Mädchen wird subtil (oder weniger subtil) vermittelt, dass die Periode etwas Ekelhaftes, Lästiges ist, für das sie sich schämen müssen. Die Periode wird geleugnet. Frauen gelten während dieser Zeit als tickende Zeitbomben. Binden und Tampons werden heimlich mit auf die Toilette geschmuggelt. Ein Blutfleck in der Hose ist ein unvorstellbar peinliches Erlebnis.

 

Ich hoffe aus tiefstem Herzen, dass unsere Gesellschaft an einen Punkt kommt, an dem Frauen, die menstruieren, nicht mehr als widerlich und schmutzig angesehen werden.

 

Ich wünsche mir eine respektvolle Haltung gegenüber der weiblichen Menstruation. Eine Haltung, die endlich angebracht ist. Unsere Körper sind in der Lage, Leben zu erschaffen. Das verdient Wertschätzung und Bewunderung. Keine Scham oder gar Hass.

 

 

 

 

Isabel Merk

 

 

 

 

 

 

 

Der Rapper Al Gear bei seiner „Entschuldigung“
Der Rapper Al Gear bei seiner „Entschuldigung“

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Kommentare: 19
  • #1

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:16)

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  • #2

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:18)

    1

  • #3

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:18)

    1

  • #4

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:18)

    1

  • #5

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:19)

    1

  • #6

    /xfs.bxss.me (Dienstag, 27 Juli 2021 00:19)

    1

  • #7

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:19)

    1

  • #8

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:20)

    1

  • #9

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:21)

    0"XOR(if(now()=sysdate(),sleep(15),0))XOR"Z

  • #10

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:21)

    8Z9SOYrX'; waitfor delay '0:0:15' --

  • #11

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:22)

    1SkaH2ib' OR 83=(SELECT 83 FROM PG_SLEEP(15))--

  • #12

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:22)

    1'||DBMS_PIPE.RECEIVE_MESSAGE(CHR(98)||CHR(98)||CHR(98),15)||'

  • #13

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:23)

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  • #14

    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:23)

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    pHqghUme (Dienstag, 27 Juli 2021 00:26)

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