Rede über Tabuthemen

„Wir sprechen über alles“, sagen wir gerne zu unseren Freunden, Verwandten und zu unserer Familie. Wir reden über unser Liebesleben, reden über unsere Zukunft und über schlimme Dinge, die in unserer Welt passieren, behaupten wir. Doch wir wollen mit manchen Menschen nicht wirklich über „alles“ reden. Wir tun so, als wären wir total offen und hätten keine Geheimnisse, als könnte uns nichts erschüttern. Doch eigentlich wollen wir nur zur Gesellschaft gehören und schweigen deshalb über unsere Geheimnisse und andere Dinge, die uns beschäftigen. „Wie kannst du darüber reden“, „Das geht niemanden was an“ schwebt in vielen Köpfen, wenn bestimmte Themen angeschnitten werden. Man nennt sie deshalb gerne Tabuthemen, da es für viele undenkbar bzw. unangenehm ist über bestimmte Themen zu sprechen.

Niemand hört gerne die Worte: „Ich habe meine Periode“. Es ist aber etwas Natürliches, es gehört zu jedem Mädchen, zu jeder Frau. Es ist die Natur eines weiblichen Wesens. Wir Frauen sollten stolz sein, wenn wir unsere Menstruation haben, da es ein gutes Zeichen ist. Es zeigt uns solange man seine Periode noch hat und nicht in den Wechseljahren ist: „Ich bin gesund. Ich kann Kinder bekommen“. Jedoch ist es nicht gerne gesehen in der Gesellschaft, dass man zu seinem Körper, zu seiner Natur steht. „Igitt, wie ekelig ist das denn?“, „Oh mein Gott, die blutet“. Viel zu oft hören junge Mädchen, das in der Schule, wenn sie das erste Mal ihre Periode bekommen. Vor einem Jahr in England ließ ein Lehrer eine Schülerin, die das erste Mal ihre Periode hatte, sogar nicht auf die Toilette, weil sie keinen „Toilettenpass“ hatte. Sie musste mit 11 Jahren den restlichen Unterricht aushalten. So eine Situation ist nicht nur beschämend, sondern auch erniedrigend. Das muss aufhören. Es ist ein Thema, über das niemand sprechen will. Es wird totgeschwiegen. Es ist tabu.

Niemand hört gerne diese Sätze von seinem Kind oder Freund*in: „Ich bin schwul“, „Ich stehe auf Frauen“, „Ich bin bisexuell“. Diese Kinder werden von ihren Eltern von zu Hause weggeschickt oder zu einer Therapie gebracht. Bekannte und Freunde wollen nichts damit zu tun haben, weil es nicht normal ist, weil es für sie falsch ist. Diese Menschen werden verurteilt, da sie nicht der „Norm“ entsprechen. Jedoch ist es nichts Schlimmes, wenn ein Mann einen anderen Mann liebt, eine Frau sich zu einer anderen Frau hingezogen fühlt. Auch ist nichts dabei, wenn man auf beide Geschlechter steht, oder wenn man mit keinem Partner Sex haben will, da jemandem das Interesse an Sex fehlt. Es ist nichts dabei, wenn man als Mann lieber ein Mädchen, oder als Mädchen ein Junge sein will, da man sich in seinem Körper nicht wohl fühlt. Die Eltern sollten stolz sein, ihre Kinder sind einzigartig, sie lieben jemanden, sie sind glücklich mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin. Es ist egal, ob es ein Mann ist, eine Frau oder jemand, der sich in seinem Körper nicht wohlfühlt, weil er lieber ein Mädchen wäre oder ein Junge. Ihr sollt sie nicht in irgendeine Klinik oder Therapie schicken, denn es nichts falsch daran. Sie lieben jemanden. Das ist das Beste, was man seinem Kind wünschen kann, dass es mit jemandem glücklich wird. Dass es sich selbst wohlfühlt, wie es ist. Aber am wichtigsten ist, akzeptiert euch und eure Freunde, Kinder oder Bekannte wie sie sind.

Niemand spricht gerne über Sex oder das, was damit zusammenhängt. Man wird selten Sätze wie „Lass uns einen Porno schauen“ oder „Wie wäre es mit einem Dreier“ hören. Es ist verpönt über solche Dinge mit anderen zu sprechen. Doch Sex stärkt unsere Bindung zu unserem Partner oder befriedigt uns und unsere Lust. Wir sind in diesem Bereich sehr verklemmt. Doch auch dieses Thema sollte nicht totgeschwiegen werden. Denn Sex gehört zu unserem Leben und unserer Natur dazu. Die meisten Menschen wollen irgendwann mal mit ihrem Lebensabschnittsgefährten oder -gefährtin intim werden. Ein großer Teil der Gesellschaft will Kinder haben, dafür ist im Normalfall auch Sex nötig. Zu Sex gehört aber nicht nur der „traditionelle“ Sex mit einem Partner oder einer Partnerin, sondern noch viel mehr als man denkt. Seid offen für Neues und sagt eurem*r Freund*in, Ehemann/-frau, Verlobte*r oder sogar One-Night-Stand worauf ihr steht, was euch gefällt. Seid mutig, sprecht darüber, denn fast jeder hat mal Sex in seinem Leben. Schweigt nicht, sondern steht dazu und sprecht davon.

Niemand spricht gerne über seine Ängste. Wir verbinden Ängste meist mit Schwäche. Vor anderen möchte man nicht schwach wirken. Deswegen sprechen wir nicht darüber. Wir schweigen über dieses Thema. Niemand soll wissen, dass wir schwach sind. Doch Ängste zu haben bedeutet, dass man mutig sein kann. Es bedeutet Stärke. Man kann seine Ängste auch sehr gut überwinden. Man kann an ihnen wachsen und man kann durch die Ängste noch stärker werden. Sie bilden ein Ziel für uns. Eine Herausforderung, die wir meistern wollen. Ängste sind nichts Negatives, das uns einschränken sollte und über die man nicht spricht. Sie sollten ein wichtiges Thema in unserem Leben sein, denn durch sie lernt man andere und vor allem sich selbst kennen. Man kann zu einem stärkeren Menschen werden, indem man eigene Ängste überwindet oder anderen dabei hilft. Des Weiteren wird man zu einem besseren und rücksichtsvolleren Menschen. Also hört auf, eure Ängste zu verschweigen und unterhaltet euch darüber.

Alle diese Themen sollten nicht totgeschwiegen werden, denn sie sind wichtig für uns, auch wenn man es nicht glauben will. Also hört auf, euch grundlos für Dinge oder Themen zu schämen. Es sind Themen, die zu einem Menschen gehören, die unserer Natur entsprechen. Die nichts Schlechtes sind. Seid offen und sprecht auch über diese Dinge. Als Mädchen steh dazu, dass du deine Tage bekommst. Als homosexuelle, bisexuelle oder asexuelle¹ Person steh dazu und lass dich nicht einschüchtern. Aber auch als heterosexuelle Person solltest du dazu stehen und über deine Vorlieben und Bedürfnisse sprechen und sie deinen Partner wissen lassen. Egal ob Freund*in, Ehemann/-frau, Verlobte*r oder als One-Night-Stand. Sprich mit so vielen Menschen wie du willst darüber, was dich beschäftigt. Steh zu dir, deinem Körper, deinen Vorlieben, zu deinen Ängsten und Schwächen. Sei einfach du selbst und akzeptiere dich so.

¹asexuelle Person = Person, die kein Interesse an / Verlangen nach Sex hat

Maria Sinner