Der Fall Rezo- Blaue Haare, harte Worte

Achtung: Wir erheben keinen Anspruch auf Objektivität. Dieser Artikel enthält unsere persönliche
Meinung.


„Die Zerstörung der CDU“. Reißerische Titel wie dieser sind keine Seltenheit im Internet. Meistens steckt
außer Hetze nicht viel dahinter, doch diesmal ist es anders: Der 26-jährige YouTuber Rezo, der eigentlich
nicht für politische Videos bekannt ist, rechnet in seinem fast einstündigen Video mit unserer Regierung
ab. Von der immer größer werdenden Schere zwischen Arm und Reich bis hin zur
Terrorismusbekämpfung reichen seine Themen. Natürlich spielt auch das aktuell wahrscheinlich
polarisierendste Thema, der Klimawandel, eine zentrale Rolle. Hierbei lässt er fast kein gutes Haar an
Union, SPD und AfD und scheut auch nicht davor zurück, einzelnen Politikern Inkompetenz
vorzuwerfen. Rezos Fazit: Die aktuelle Regierung zerstört nicht nur unser eigenes Land, sondern ist auch
eine Gefahr für den ganzen Planeten.


Rezos Video passt perfekt in den schon länger andauernen Trend: Immer mehr Menschen, vor allem
junge, sind unzufrieden mit der Regierung.


Die umstrittene Urheberrechtsreform (für die übrigens auch die CDU stimmte) hat in ganz Europa
wütende Leute zum Protestieren auf die Straßen getrieben. Dass sie dennoch beschlossen wurde haben sie
nicht einfach vergessen. Auch die Tatsache, dass die Demonstranten von verschiedenen Politikern als
Bots beleidigt wurden und überhaupt nicht ernst genommen wurden, hat nicht gerade zur Entspannung
der Lage beigetragen.
Und dann ist da natürlich die FridaysForFuture-Bewegung. Seit Monaten streiken Jugendliche
regelmäßig, um auf die drohenden Gefahren der Erderwärmung aufmerksam zu machen und natürlich um
Druck auf die Regierungen Europas auszuüben. Ein Ende ist nicht in Sicht.
Kurzum: Die GroKo hat eine ganze Generation vergrault, welche sich mit #niewiedercdu revanchiert.
Dass dies die zukünftige Wählergeneration ist und dass man eventuell deren Bedenken und Sorgen ernst
nehmen sollte, ist bei unserer Regierung wohl noch nicht ganz angekommen. Es ist ja eh bloß die am
Weltgeschehen uninteressierte, Influencer vergötternde Generation, die eh nicht wählen gehen wird.

Dass diese oft geäußerten Vorwürfe absolut nicht zutreffend sind, unterstreicht Rezo mit seinem Kritikvideo
ebenfalls.


Es ist ja auch nicht das erste mal, dass sich YouTuber in Sachen Politik zu Wort melden: Der YouTuber
LeFloid regt auf seinem Kanal seit Jahren Jugendliche dazu an, sich über Politik auszutauschen. 2015
interviewte er sogar Angela Merkel und stellte ihr Fragen aus seiner Community. Wir dürfen auch den
YouTuber Dner nicht vergessen, der sich bei der Urheberrechtsreform sehr engagiert gezeigt hat und sich
auch gerne in Talkshows mit Politikern angelegt hat.
Mit seinem Video scheint Rezo deshalb genau ins Schwarze getroffen zu haben, denn das Video
verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Netz und hat bereits die 10 Millionen Aufrufe geknackt.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Kritiker wie Lisa Nienhaus von der Zeit werfen ihm
(teilweise mit durchaus sinnvollen Argumenten) vor, komplexe Themen zu stark zu vereinfachen und
manches zu übertreiben. Auch sagen manche (darunter Reporter vom Spiegel), er missinterpretiere ein
paar Statistiken im Bezug auf die Armut in Deutschland. Das ist seriöse Kritik, im Gegensatz zu dem, was
einige Politiker ihm vorwerfen: Er würde gar nicht wissen, wie komplex die Themen über die er spricht seien, wurde ihm aus Reihen der Union, sowie auch von FDP-Chef Lindner vorgeworfen. Das ist schon ziemlich erbärmlich, denn man kann nicht einfach alle seine 252 aufgelisteten Quellen für ungültig erklären.


So steht die große Mehrheit, darunter auch LeFloid, in den meisten Punkten hinter Rezo. Tatsächlich
haben sich inzwischen mehr als 90 andere YouTuber mit Rezo zusammengetan, um gemeinsam einen
Aufruf an alle Wahlberechtigten zu starten: Sie rufen in einem weiteren Video dazu auf, bei den
bevorstehenden Europawahlen weder die Union, noch die SPD und schon garnicht die AfD zu wählen.
Natürlich haben sich auch die Beschuldigten selbst schon zu Wort gemeldet:
Auf der Website der CDU gibt es eine 11 Seiten lange PDF, in der sie sich und ihre Regierungsweise
verteidigt.
Interessanter ist aber: Der CDU Generalsekretär Paul Ziemiak hat Rezo zu einem Gespräch eingeladen.

Auch andere CDU-Politiker sollen an diesem Gespräch teilnehmen, darunter der ebenfalls 26-jährige
Philipp Amthor, der jüngste Abgeordnete im Bundestag und große Hoffnung der CDU. Ursprünglich
wollte man ganz anders mit Rezos Video umgehen: Amthor hat doch tatsächlich ein eigenes Video
gedreht, mit dem Rezos Aussagen wohl „gekontert“ werden sollten. Dieses Video gelangte allerdings nie
an die Öffentlichkeit, da die CDU ihre Meinung änderte und sich stattdessen für das Gespräch entschied.
Amthor begründete das damit, dass es besser zum „Stil“ der CDU passe, sich gemeinsam an einen Tisch
zu setzen. Schade, wir hätten dieses Video wirklich gerne gesehen. Aber gut, es kommt also zu einem
Gespräch, natürlich nur, falls Rezo die Einladung annimmt. Es bleibt zu hoffen, dass dieses nicht hinter
verschlossenen Türen stattfindet sondern bestenfalls sogar live übertragen wird.
Bisher schaut es leider nicht danach aus, dass diese Gespräche auch zustande kommen werden. Der Welt
zufolge lehnte Rezo ein Gespräch mit der Begründung „er wolle nicht, dass geredet, sondern dass
gehandelt wird“ ab.

Trotzdem wäre hier unser Vorschlag: Es soll zumindest in der Zukunft eine Art „hart aber fair- Youtuber-
Edition“ geben, in denen sich Politikinteressierte Influencer wie Rezo, Dner und LeFloid mit den
Verantwortlichen der großen Parteien debattieren. Und das Ganze wird live im Ersten ausgestrahlt!

 

Simon Vill und Niklas Kirchmayer

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